Überarbeitung folgt

Wir werden diese Seite in Kürze noch überarbeiten und ergänzen. Für eine umfangreiche Ausarbeitung zum Thema sei auf das Buch "Tage im Tunnel: Das KZ-Außenlager A1 Lengerich 1944-1945" von Norbert Ortgies und Ursula Wilm-Chemnitz verwiesen, welches u.a. bei der Tourist-Information Lengerich erhältlich ist (ISBN: 3-8311-2413-2).

Das Geheimlager "Rebhuhn"

Eine der dunkelsten Seiten der Lengericher Vergangenheit

"Rebhuhn" - Unter diesem Tarnnamen richtete die SS im März 1944 eine Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme für die Kriegsproduktion ein. Etwa 200 männliche KZ-Häftlinge, darunter Polen, Franzosen, Belgier, Ukrainer und auch Deutsche, mussten hier u.a. Tragflächenprofile für Jagdbomber fräsen. 20 von ihnen kamen dabei zu Tode, wovon mindestens 14 vom Lagerpersonal hingerichtet wurden.

Bereits zwei Wochen nach Zusammenschluss des sogenannten "Jägerstabs" unter Leitung des Architekten SS-Obergruppenführer Hans Kammler, der sich mit Rüstungsbelangen befasste und die Rüstungsproduktion in bombensichere Räumlichkeiten untertage verlagern sollte, wurde mit dem "Vorhaben A1", dem Umbau des alten Lengericher Tunnels zur Rüstungsproduktion, begonnen.

Unsere Kleidung bestand aus einer gestreiften Jacke, Hose und einer Mütze. Darunter trugen wir ein Hemd und eine Unterhose. Als Fußbekleidung hatte jeder ein Paar Holzschuhe zu verfügung. Vor allem im Winter, wenn man durch den tiefen Schnee am frühen Morgen zur Arbeit im Tunnel ging, wurden unsere Klamotten sehr nass, und blieben dies auch noch mehrere Tage. In dem Tunnel selber arbeitete die Frühschicht bis zur Ablöse um 18.00 Uhr. Gegen elf Uhr gab es für die Frühschicht eine halbstündige Pause, in der uns etwas wie Suppe, oder Ähnliches gegeben wurde. Nach den üblichen Appellen gab es zwischen 19.00 und 20.00 Uhr das Abendessen, was wieder aus einer scheibe Brot, etwas Magarine und einer Tasse Kaffee bestand. Wir machten jeweils eine Woche Tag und eine Woche Nachtarbeit. Nur alle zwei Wochen hatten wir Sonntags Nachmittag Pause. Dann standen die Maschinen im Tunnel für sechs Stunden still. Doch auch das war keine Erholung. Wir mußten uns waschen, danach zum Friseur, anschließend den Saal reinigen, in dem wir schliefen und aßen. Danach folgte die Austeilung sauberer Hemden.(...)

Zuerst wurde das Gleisbett entfernt und anschließend eine Rinne als späterer Entwässerungskanal ausgekoffert, bevor der Boden mit einer, nicht ganz bis zu den Wänden reichenden, Betonschicht versehen wurde. Diese war notwendig, um den Maschinen einen sicheren Halt zu geben. Zusätzlich wurden die Tunnelwände mit Holztafeln verkleidet, um die Fabrik besser vor Nässe zu schützen. Der Innenausbau wurde schließlich noch mit einer Decke versehen, sodass quasi ein rechteckiger Tunnel im Tunnel entstand. Zusätzlich war dort eine Schmalspurbahn für den Transport der Bauteile verlegt worden. Insgesamt wurden hier 1.200t Zement und 60.000 Ziegelsteine verbaut.

Die Portale des Tunnels wurden zum Schutz vor Bomben noch zusätzlich verstärkt und vermauert und auf dem Bergrücken ein Flakgeschütz mit Suchscheinwerferanlage stationiert. Die Vermauerung des Südportals ist auch heute noch vorhanden, wohingegen das Nordportal fest verschlossen und getarnt wurde.

Die Arbeit im Tunnel war sehr erschöpfend. Neben dem Schlafmangel und der unzureichenden Ernährung hatten wir stets Angst vor dem Wachpersonal. Besser gesagt vor der Prügelstrafe, die schon wegen dem kleinsten Vergehen, oder manchmal auch einfach nur so zu erwarten war. Die Bestrafung bestand aus 25 Schlägen auf den Hintern. Die Schläge wurden mit einem 70 Zenlimeter langem und 3 Zentimeter dickem Stromkabel auf das nackte Gesäß durchgeführt. Der zu Bestrafende wurde von zwei Assistenten fest gehalten, während der Kapo unter SS-Aufsicht mit aller Kraft zuschlug. Sehr oft wurde der Bestrafte vor dem Ende ohnmächtig und landete anschließend in der Krankenstation. Doch es konnte für einen Zwangsarbeiter noch schlimmer kommen. Ein (vermeintlicher) Sabotageakt oder ein Fluchtversuch bedeutete den Tod durch Erhängen für den Häftling.

Die Anlage war in etwa zwei gleich große, aber getrennte Bereiche aufgeteilt. Im vorderen, südlichen Teil wurden von den "Vereinigte Leichtmetallwerke Hannover" Tragflächenprofile für Jagdflugzeuge hergestellt. Im hinteren Teil wurden Treibstofftanks und weitere Teile der Flügelbombe Fi 103 (V1) hergestellt, die vornehmlich über Münster und Osnabrück-Rheine, den V1 und V2 Abschussrampen im westlichen Münsterland zugeführt wurden. Zwischen den Produktionsstätten befanden sich eine Krankenstation, eine Küche mit Aufenthaltsraum und auch Büros, die aber vornehmlich der Wachmannschaft vorbehalten waren. Untergebracht waren die Häftlinge im etwa 2 Kilometer entfernten Festsaal der Gastwirtschaft Brunsmann, dem heutigen Centralhof.

In jedem Raum standen 12 bis 14 von den dreistöckig angeordneten Pritschen. Da Tag und Nacht im Schichtbetrieb im Tunnel gearbeitet wurde, diente ein Bett für zwei Personen. Und das auch nur zum schlafen. Die Frühschicht musste um 4.30 Uhr aufstehen, sich waschen und dann das karge Essen abholen. Die Verpflegung bestand in der Regel aus einem Viertelliter Kartoffelkaffee, einigen Gramm Margarine und einer dünnen scheibe Brot. Nach dem Frühstück ging es zum Appell, welcher bis zum Aufbruch in Richtung Rüstungsfabrik andauerte. Für die Appelle mussten man sich in Fünferreihen aufstellen und wurde unter andauernden Schlägen gezählt. Das Zählen wurde immer von mehreren Chefs, wie SS-Leuten oder Kapos durchgeführt. Das Ergebnis sollte dann übereinstimmen, was es aber im seltensten Fall tat, so daß das Appell noch einmal etwas brutaler durchgeführt wurde. Die Appelle dauerten immer sehr lange und waren ermüdend. Hinzu kam noch, daß wir solche sachen wie Mütze abnehmen und auf die Oberschenkel klatschen simultan vorführen sollten, was allerdings auch nie klappte. Diese Appelle wollten nie enden und spielten sich bei jedem Wetter auf dem Innenhof der Gaststätte ab. Egal ob es regnete oder schneite. Es gab viele solcher Appelle, bei jedem Betreten oder Verlassen des Lagers, vor dem Tunnel erneut, manchmal sogar innerhalb des Lagers in der Nacht.

Die meisten Fluchtversuche gab es während der Ausbauphase und kurz vor Evakuierung des Lagers, doch keiner von ihnen war erfolgreich. Sobald die geflüchteten Zwangsarbeiter erwischt wurden, wurden sie von der SS umgehend zurück ins Lager gebracht und dort vor versammelter Häftlingsgemeinschaft aufgehängt.

Etwa ein Jahr nach Einrichtung des Lagers und kurz vor Einmarsch der Alliierten, am 24. März 1945, wurde das Lager geräumt und die Häftlinge auf den Todesmarsch geschickt worden. Zur Bewachung waren etwa 10 SS Männer und 40 Luftwaffensoldaten eingesetzt worden. Lagerführer war SS-Untersturmführer Küster. Einer der verantwortlichen SS-Sturmscharführer des Lagers, lebte noch mehrere Jahrzehnte - bis zu seinem Ableben - nur unweit des Tunnels entfernt. Er wurde nie zur Rechenschaft gezogen.

Die Erinnerung Heute

Das, was damals im Tunnel passiert ist, wurde lange verschwiegen. So gibt es erst seit dem 27. Januar 1996 - fast 51 Jahre nach Räumung des Lagers und 10 Jahre nach erstmaliger Beantragung einer Initiativgruppe Lengericher Bürger - eine Gedenktafel an der ehemaligen Gastwirtschaft Brunsmann, dem heutigen Centralhof.

Es dauert weitere 24 Jahre, bis, am 27. Januar 2020, auch eine Informationstafel auf dem Weg zum alten Tunnel aufgestellt wird. Zeitgleich wurde oberhalb des Tunnels ein großes "X" aufgestellt, an dem mit der Aufschrift "Euer Leid, Euer Kampf und Euer Tod sollen nicht vergebens sein!" an die damaligen Ereignisse erinnert wird.